Mit „Module Type Packages“ und „Digitalem Zwilling“ auf dem Weg zur Digitalen Transformation

Der Bau einer neuen Produktionsstätte stellt die internationale Brau- und Getränkeindustrie vor zunehmend größere Herausforderungen. Immer höher muss deren Flexibilität sein, sie darf immer weniger Ressourcen und Rohstoffe verbrauchen und ihre „Time to market“ soll so kurz wie nur möglich sein. Um nur einige Faktoren zu nennen. Vor diesem Hintergrund beschreitet die ZIEMANN HOLVRIEKA GmbH bei der Realisierung eines Turnkey-Projekts neue Wege. Standardisierung und Digitalisierung sind dabei von zentraler Bedeutung.

Bisher haben die Hersteller einer Produktionsstätte verschiedene Ebenen für den Kunden auf- und vorbereitet, um dessen Vorgaben umsetzen zu können. Diese Ebenen sind: der eigentliche Produktionsprozess, die Mechanik, die Elektrik sowie die Automation, die die genannten Ebenen letztendlich miteinander verknüpft. Für alle diese Ebenen werden mehr oder minder voneinander unabhängig Dokumentationen erstellt und dem Kunden ausgehändigt. Das bedeutet aber: Benötigt dieser beispielsweise die konkreten Spezifikationen eines Läuterbottichs, muss er die Daten in mehreren Dokumentationen recherchieren. Auch sind der aktuelle Engineeringprozess und die Inbetriebnahme einer Produktionsstätte mit manuellen Eingriffen behaftet. Diese sind der Inkompatibilität verschiedener Systeme geschuldet. Ursache dafür sind schlecht definierte Schnittstellen unterschiedlicher Gewerke.

MTP bildet Prozessschritte wie Läutern oder Maischen exakt ab

Genau an dieser Stelle setzt das Prinzip der „Module Type Packages“ (MTP) an. Das MTP enthält in einem standardisierten Format alle notwendigen Informationen, um ein Modul in eine modulare Anlage zu integrieren, wie z.B. die Kommunikation, die Dienste als verfahrenstechnische Funktionen, eine Beschreibung der Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI) und Wartungsinformationen.

Ein MTP fasst somit für jeden Prozessschritt alle relevanten Daten aus Prozess, Mechanik, Elektrik, Automation sowie Wartung zusammen und verknüpft sie miteinander - und zwar bis zur Feldkomponente (Ventil, Pumpe, Sensor, etc.). Somit kann eine Brauerei projektiert werden, welche durchgängig aus MTP fähigen Modulen (Anlagenteilen) aufgebaut ist. Somit spricht jede gewählte Steuerung, die MTP unterstützt, die gleiche Sprache. Dies führt zu leichteren, sicheren und geringeren Integrationsaufwänden auf der Baustelle. Das MTP fungiert dabei in etwa wie ein Druckertreiber, der den Computer mit dem Drucker vollautomatisch verbindet. Auf der Baustelle ungeplant auftretende und dort zu lösende Herausforderungen gehören somit der Vergangenheit an. Für den Bau einer neuen Produktionsanlage bedeutet MTP künftig „plug and produce.“

Das MTP ermöglicht eine hohe Standardisierung in der Prozessbeschreibung sowie der Automatisierung – dadurch reduzieren sich manuelle Eingriffe sowohl im Engineering als auch in der Inbetriebnahme erheblich. Das bedeutet neben einer deutlichen Zeitersparnis auch ein deutlich reduziertes Fehlerpotential. Zudem verfügen alle MTPs über einen hohen Standardisierungsgrad. Individuelle Rahmenbedingungen werden dabei immer angepasst. Für die  Projektierungsphase bedeutet das ein reduziertes Fehlerpotenzial. Nicht zuletzt verfügt der Kunde durch die MTPs über alle notwendigen Daten und Informationen, um einzelne Prozessmodule jederzeit ändern oder ergänzen zu können.

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„Digitaler Zwilling“ haucht Daten virtuelles Leben ein

ZIEMANN HOLVRIEKA geht aber noch einen Schritt weiter und haucht den Daten der MTPs mittels eines „Digitalen Zwillings“ virtuelles Leben ein. Dieser Zwilling ist vom Prinzip her eine cloudbasierte Datenplattform, auf die der Kunde zum Beispiel mit einem handelsüblichen Tablet zugreifen kann. In der Cloud sind alle Daten der MTPs hinterlegt und abrufbar. Zudem verfügt der Zwilling über Visualisierungs-Tools sowie Simulations- und Analysealgorithmen.

Für den Kunden bietet der „Digitale Zwilling“ zahlreiche Vorteile:

So ist unter anderem bereits zu einem sehr frühen Projektierungszeitpunkt eine virtuelle Tour durch die künftige Braustätte möglich – auf allen Ebenen wie dem Prozess oder der Mechanik. Man sieht lange vor der Inbetriebnahme, was man bekommt. Nach der Inbetriebnahme können Sensoren zudem Echtzeit-Daten wie Verbräuche, Temperaturen oder Ausbeute in die Cloud einspeisen. Mittels moderner Analyse-Werkzeuge und Algorithmen simuliert der „Digitale Zwilling“ aus diesen Daten komplexe „Was-wäre-wenn“-Szenarien, um die besten Betriebsbedingungen zu ermitteln. Außerdem erlauben die aufgezeigten Trends eine proaktive Wartung. So wird beispielsweise ein einlaufendes Lager einer Pumpe durch einen stetig steigenden Stromverbrauch frühzeitig erkannt. Die zentralen Kundenvorzüge der Kombination „MTP“ und „Digitaler Zwilling“ sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Ab sofort und weltweit im Einsatz

Um den Datenaustausch möglichst sicher zu gestalten, setzt ZIEMANN HOLVRIEKA für Brauereiprojekte auf die so genannten Weihenstephaner Standards. Diese definieren eine Kommunikationsschnittstelle zur standardisierten Übertragung von Maschinen- und Prozessdaten in übergeordnete IT-Systeme. Über ein spezielles Modul lassen sich die Daten der Cloud zudem in jede kundenspezifische IT-Lösung exportieren und dort verarbeiten. Der hochmoderne Turnkey-Ansatz mit „MTP“ und „Digitalem Zwilling“ wird von ZIEMANN HOLVRIEKA weltweit angeboten. Das erste Großprojekt ist aktuell bereits in seiner erfolgreichen Abwicklung.

Tabelle 1: „MTP“ und „Digitaler Zwilling“ – was bedeutet das für den Kunden?

  • Eine kürzere Implementierungszeit - Plug and produce
  • What you see is what you get
  • Aussagekräftige Prozesssimulationen (z.B. schwankende Malzqualitäten, Erkennen von Einsparpotenzialen)
  • Effizientere Wartungsarbeit
  • Höhere Verfügbarkeit durch proaktive Wartung
  • Reduzierte Betriebskosten (OPEX) aufgrund geringerer Ausfälle
  • Modulare Ergänzungen jederzeit möglich